Freitag, 12. April 2013

[Buchballet] "Krabat" von Demis Volpi, nach Ottfried Preußler

Hallo!

Ich war am Sonntag mit einer Freundin in meiner ersten "Buchverballettierung" im Stuttgarter Ballett (gibt's da ein Wort dafür?), jedenfalls der ersten Umsetzung eines Buches in ein wortloses Tanztheater, also Ballett. Ich fand es extrem interessant, so etwas mal auszuprobieren, und es hat sich gelohnt, deshalb werde ich jetzt ziemlich ausführlich von dem Abend voller Eindrücke erzählen.


Ablauf

Etappe 1- Einlass & Einführung     Es fing also damit an, dass man in das wunderschöne Stuttgarter Opernhaus eingelassen wurde. Und ich bemerkt habe, dass ich da rumgelaufen bin wie ein bunter Vogel, in knallgrünem T-Shirt mit Schlabberjacke und hellroten Sneakers. Denn andere kamen in Ballkleidern und Roben, die man nicht mal auf der Hochzeit von William und Kate getragen hätte. Man konnte einen Tisch für die erste Pause bestellen, was wir gleich mal gemacht haben. Ein Programm gab es auch gleich, was man hier links sieht. Es hat sich wirklich gelohnt, das zu haben.
Wir kamen extra früher, damit wir die Einführung noch anhören konnten. Im Obergeschoss gab es nämlich 2 Einweisungen für diejenigen, die zum einen die Geschichte nicht kennen und sie trotzdem gerne wissen würden, einfach um die Handlungsschritte im Ballett zuordnen zu können, und zum anderen um besondere Infos zu Choreographen, Tänzern, Bühnenbild etc. zu bekommen. Die eine Einweisung war die Standardeinweisung, die andere die Kindereinweisung. Wir haben mal die ANgestellte gefragt, die aber meinte wir würden die Erwachseneneinweisung ganz gut verstehen. Das dachten wir auch, kamen in den Raum und wurden von Menschenmassen fast erdrückt. Nach kurzem Zweifel dachten wir dann YOLO (Hipster sein ist nicht cool, aber in dem Fall hat der Spruch uns überzeugt) und sind in die Kindereinweisung gegangen- was die weiseste Entscheidung des Abends war. Wir waren 6 Kinder *hust* und eine sehr nette Mitarbeiterin hat uns erst mal ganz viele Bilder von den vorigen Vorführungen zum Anschauen gegeben, uns währenddessen die Geschichte von Krabat zusammengefasst (war gut für mich) und uns dann 2 Paar Spitzenschuhe gegeben. Dann durften wir, weil wir so wenige waren, auch noch einen schnellen Blick in den Saal werfen, in dem gerade der Boden geputzt wurde *spannend*. Dann ging es auch schon auf unsere Plätze in der mittleren 6. Reihe...

Etappe 2- 1. Akt (45min) Das erste Jahr
Wir sahen seht gut, alles klar, auch wenn ich ständig von einer enormen Parfumwolke umgeben war, in komischerweise immer mit der Kantorka auftauchte. Wir haben immer versucht, unauffällig herauszubekommen, wer da so ein megasüßes Parfüm hat, und später dann bemerkt, dass die Nebelmaschine den Duft macht!

Etappe 3- 1. Pause (20min) Wir hatten uns ja unseren genialen Tisch (mitten im Foyer, man konnte super fremde aufgetütelte Leute beobachten) gemietet, und unser Essen stand bereit. Ich sammele hobbyloserweise schon ziemlich lange Getränkedosen, und durfte einen wahnsinnigen Schatz mit nach Hause nehmen: Extra für das Ballett wurde ein Getränk in einer Krabat-Dose entworfen! Es nannte sich mysteriös "Mühlenmix", stellte sich im Nachhinein zwar als Apfelsaftschorle heraus, war aber trotzdem lecker (im Gegensatz zu meiner Laugenstange mit Frischkäse: Auf einem Quadratzentimeter war so viel drauf wie ich auf mein ganzes Brot schmieren würde!). Dann ging es mit

Etappe 4- 2. Akt (30min) Das zweite Jahr

Etappe 4- 2. Pause (20min) Die zweite Pause haben wir dazu genutzt, als erste auf die Toilette zu hechten und danach haben wir im Obergeschoss noch eine Freundin getroffen, später Salzstangen und Kinderriegel gegessen.

Etappe 5- 3. Akt (35min) Das dritte Jahr
Der witzigste Akt des ganzen Stücks- dazu mehr in der Meinung...

Etappe 6- Heimfahrt Mit den Dosen im Gepäck und einem Lächeln haben wir das (wirklich schöne!) Gebäude verlassen und sind nach Hause kutschiert.


Infos zum und über das Ballett

Hier liste ich einfach mal auf, was man so wissen kann oder sollte, und auch was uns die Einweiserin noch für Infos gegeben hat.

Zum Choreograph
Demis Volpi wurde in Buenos Aires in Argentinien geboren. Im Alter von vier Jahren begann er seine Tanzausbildung, zwei Jahre später nahm er Unterricht bei Andrea Candela. 1995 wechselte er zu Wilhelm Burmann, mit dem Demis Volpi seit dieser Zeit immer wieder arbeitet und trainiert. In den Jahren 1995 bis 1999 arbeitete er mehrere Male mit Mario Gallizi. Im Jahr 1999 besuchte er die Escuela de Danza del Instituto Superior de Arte del Teatro Colón, anschließend ging er zwei Jahre lang zur National Ballet School of Canada in Toronto. Ab 2002 wurde Demis Volpi an der Akademie der John Cranko Schule ausgebildet, wo er 2004 seine Ausbildung abschloss. 
In der Spielzeit 2004/05 kam Demis Volpi als Eleve ans Stuttgarter Ballett. In der darauffolgenden Spielzeit wurde er ins Corps de ballet aufgenommen. (by Stuttgarter Ballett)


Insgesamtes
  • Demis Volpi bekam vor ein paar Jahren den Auftrag, eine Geschichte in ein Ballett umzusetzen, das auch Kinder interessieren würde. Er las sich dann durch viele Kinder-&Jugendbücher und wählte "Krabat" von Ottfried Preußler, da es ihm selber gut gefallen hat und er schon Ideen zur Umsetzung hatte.
  • Um die Sounds auf der Bühne echt rüberkommen zu lassen, ist man in eine nahegelegene Mühle, die Mäulesmühle, gegangen und hat dort an 16 verschiedenen Stellen Geräusche aufgenommen, die man über die Musik gelegt hat. Das verwirrte anfangs die Tänzer, da die Sounds nicht rhythmisch sind.
  • Die Musik ist nicht extra für das Stück geschrieben worden, aber wurde sorgfältig ausgewählt und ist von Krzysztof Penderecki, Péteris Vasks und Philipp Glass.
  • Über das Bühnenbild wurde lange diskutiert: Bis die Bühnenbildnerin Katharina Schlipf die Idee hatte, das Ambiente der Mühle mit mehr als 1400 Mehlsäcken nachzuformen. Diese durften weder zu leicht noch zu schwer sein, da die Tänzer damit Tanzen müssen, es jedoch auch nicht so aussehen sollte als könnte man sie durch die Gegend werfen wie Chipspackungen. Jeder Sack hat eine andere Färbung.
  • In den Akten werden die Leute, die vom Meister umgebracht werden, in die Mehlsäcke hereingezogen. Das soll dann den Eindruck geben, dass in jedem der mehr als 1400 Mehlsäcke eine Leiche liegt. 
  • In einem Monat verbraucht eine Ballerina am Stuttgarter Ballett mehr als 10 Paar Spitzenschuhe.
  • Das Stuttgarter Opernhaus, in dem das Ballett stattgefunden hat, hat 1400 Sitzplätze, d.h. jeder Besucher könnte einen Mehlsack mit nach Hause nehmen und es wären trotzdem noch welche da. 
  • Während den Akten kommen oft Zaubertricks vor, die ein Zauberer mit den Tänzern geprobt hat, die jedoch streng geheim sind (z.B. kommt dem Meister exakt waagrecht eine Augenklappe in die Hand geflogen etc.).
  • Sue Jin Kang ist die Erstbesetzung für den Gevatter Tod. Dieser ist eigentlich ein Mann, aber diese Ballerina wurde für diese Rolle ausgewählt, da sie laut der Einweiserin "auf die Bühne kommt und sofort den ganzen Raum besitzt". Man hat, um sie größer Wirken zu lassen, Schuhe von etwa 30cm Höhe für sie angefertigt. In ihrem Kleid befinden sich im unteren Teil ganz viele LEDs, die das Kleid nach Feuer aussehen lassen.
  • Der Pumphutt wird ebenfalls von einer Frau gespielt. Im Buch hat diese Figur einen goldenen Ohrring, im Ballett hat sie goldene Sneaker-Ballettschuhe: Sie sehen wirklich exakt aus wie Nikes nur in Gold und man muss sie über die normalen Spitzenschuhe drüberziehen.
  • Die Hauptrolle, den Krabat, spielt in der Erstbesetzung David Moore.

Meine eigene Meinung

Ich habe ja so eine Art von Umsetzung wie gesagt noch nie miterlebt, und muss sagen: Ich bin echt begeistert! Ich bin nicht unbedingt in der Erwartung dort hingegangen, Krabat wiederzuerkennen, aber doch, es hat geklappt. Das Licht ging aus, die Mühlengeräusche begannen und du warst weg. 
Bei der Musik hat man ein Wenig gemerkt, dass sie nicht für das Ballett geschrieben wurde, jedoch war sie schon sehr passend ausgewählt und hat für das richtige Flair sorgen können. Auch hat gestimmt, dass dramatische Musik in dramatischen Szenen kommt und so weiter, außer bei der Szene, in der Krabat mit sich selbst kämpft, ob er den Mantel jetzt anziehen soll (=die Mühle übernehmen soll) oder nicht. 
Wo wir zum Beispiel gerade bei den Symbolen sind: Es wurden sehr viele, gut deutbare und verbindbare Symbole benutzt, wie etwa der Mantel als Symbol für das Angebot, die Mühle zu übernehmen, oder haben zum Beispiel alle Frauen Masken angehabt, als Symbol dafür, dass man ihren Namen nicht wissen darf, und der Worschula wurde die Maske abgenommen und sie wurde dann getötet... und so weiter. 
Das Bühnenbild war ziemlich gut, und die Idee mit den Mehlsäcken ist einfach gigantisch gewesen... es waren SOOO VIELE! Die Helligkeit war auch sehr gut (also eigentlich die Dunkelheit) und das Bühnenbild mit der Wiese war genial!
Die Tänzer haben unglaublich toll getanzt und die Bewegungen & Choreografien haben super gepasst.
Es konnte in der Zeit natürlich nicht auf jedes Detail geachtet werden. Deshalb wurde natürlich viel gestrichen... ich jedoch meine, dass da noch ein bisschen was reingepasst hätte. Der zweite Akt war nämlich fast identisch mit dem ersten, aber hey... die Stimmung war super, die Tänzer waren super, das Bühnenbild war super, die Geschichte war super... wirklich sehr gelungen. 
Der witzigste Moment des Abends war ganz eindeutig am Ende des dritten Aktes: Die Kantorka befreit ja im Buch Krabat von der Mühle, im Ballett wird das dadurch dargestellt, dass die Kantorka Krabat sein Rabenkostüm auszieht... und dann Stück für Stück den Waschbrettbauch des Tänzers entblößt... alle Omis machen "ooohh" und wir kichern wie Verrückte. Und dann steht der Kerl da in einer hautfarbigen Unterhose und die ganzen 12 anderen kommen im gleichen Dress angelaufen, alle mit Waschbrettern, und klettern über die eingetretene Bande der Mehlsäcke und machen ein Bild wie eine Horde flinke Flitzer im Stadion. Diese Szene muss man gesehen haben, um sie witzig zu finden... :D
Zum Glück wurde vom Buch her nichts verändert, das Ballett war vollkommen und es hatte ebenfalls das offene Ende aufzuweisen, an dem man sich selber überlegen konnte, wohin (der halb nackte) Krabat und seine Kantorka gehen. 

Ganz insgesamt war ich sehr begeistert und werde nicht davor scheuen, mit weitere (Buch)balletts anzusehen! Super gelungenes und umgesetztes Stück eines so jungen Choreographen, bemerkenswert.

Eure Jada 

2 Kommentare:

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